Eine Stadt wie in Europa?
Die Menschen und ihre Stadt hier unterscheiden sich von allem, was ich bisher in Südamerika gesehen habe. Der indigene Bevölkerungsanteil ist hier klein, ich könnte mich geradeso gut in einer süd- oder mitteleuropäischen Stadt befinden. (Nur, zum Unterschied zu Buenos Aires ist mir bisher noch nichts eingefallen; es gibt ihn, er dürfte vor allem in der Mentalität der Menschen liegen.)
Santiago erhält für mich erst allmählich ein Gesicht. Zuerst fühlte ich mich nicht so richtig wohl hier. Zu hektisch, mindestens in der City. Die Leute hetzen hier herum, rasen durch die Strassen und über die Plätze, scheinen immerwährend beschäftigt zu sein. Kein Unterschied zu Zürich oder New York. Die Läden in der City scheinen fast nur für solche bestimmt, die auch das entsprechende Einkommen haben. Shopping, shopping, shopping …
Einige Strassen sind verkehrsfrei. Sie dienen allein dem Shopping und sind für mich etwa so interessant wie die Zürcher Bahnhofstrasse – also überhaupt nicht.
Das Gebäude mit dem Turm ist das alte Feuerwehrhaus. Es beherbergt heute mehr oder weniger teure Geschäfte.Santiago und die Uhren: Keine einzige Kirchturmuhr, die ich gesehen habe, funktionierte. Bei allen ist sie irgendwann stehen geblieben. Nicht einmal in der Hauptpost (ich musste dort 1 Stunde (!) anstehen, bis ich zwei Postkarten los war) gibt es eine Uhr. Chile scheint zeitlos zu sein … Hier die – wirklich schöne – Schalterhalle:
Der Mercado Central ist absolut sehenswert. Im äusseren Bereich gibt es hier einen riesigen Fischmarkt, und im Inneren reiht sich Restaurant an Restaurant. Würde ich hier leben, wäre das für mich als Fischliebhaber eine wichtige Adresse!
Am Abend des zweitletzten Tages stieg ich auf den 70 m hohen Cerro Santa Lucia. Auf diesem Hügel gründete 1541 Pedro de Valdivia die Stadt. Man hat von hier einen wunderbaren Überblick über Santiago. Leider war das Wetter die ganze Zeit über dunstig, so dass man von den Anden praktisch nichts sehen konnte. Nur blass schimmerten ein paar der schneebedeckten Bergriesen durch, hinter dem Gran Torre, mit 303 m das zurzeit höchste Gebäude Südamerikas.
Rund um den Hügel erstreckt sich ein öffentlicher Park. Der Cerro Santa Lucia ist nicht nur für Touristen attraktiv, sondern auch bei den Einheimischen ein beliebtes Ausflugsziel.
Noch zwei Bilder von Gebäuden rund um den Hügel:
Zwei Aufnahmen von einem früheren Bahnhof. Schöne Eisenkonstruktion, dient heute für Ausstellungen und Messen:
Diese neugotische Kirche scheint ernsthafte Schäden zu haben (sieht nach Erdbebenfolgen aus):
Das hier ist die Iglesia San Francisco, die älteste Kirche der Stadt (1586; Turm 1857). Ihr konnte bisher kein einziges Erdbeben etwas anhaben. Südlich hinter ihr versteckt sich ein kleines Quartier mit schönen Häusern aus den 1920er Jahren. Die gepflästerten Strassen unterscheiden sich vom gesamten Zentrum, indem sie nicht gerade und rechtwinklig zueinander erlaufen, sondern geschwungen sind.
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Es ist jetzt 4. April, kurz nach 9 Uhr. In drei Stunden muss ich hier draussen sein. Bis bald, dann aus Auckland, New Zealand!
P.S.: Habe noch die Strecke zusammengerechnet, die ich in den letzten fünf Wochen zurückgelegt habe: es sind 6700 km im Bus und 1400 km bei zwei Flügen. – Gerne würde ich noch länger auf diesem Kontinent bleiben. Die Lebendigkeit, Buntheit, das oft Chaotische und Irrationale hier haben es mir angetan. Jetzt tauche ich ein in eine Welt mit völlig anderer Kultur, mit teilweise coolem (?) angelsächsischen Hintergrund? Ich liebe Überraschungen!