Den Entschluss, nach Bali zu gehen, um dem Gunung Batur (Gunung=Berg) einen Besuch abzustatten, fasste ich schon in den ersten Tagen meines Aufenthalts in Indonesien. Ich wollte wieder Erikas Bruder Hans und Lahir mitnehmen (wie vor zwei Jahren nach Flores). Lahir war sofort begeistert, aber bei Hans waren meine Bemühungen vergeblich; er weigert sich einfach, auf ein Schiff zu kommen. Aber mit einem solchen wollte ich hinüber, mit einer der 24 Stunden Tag und Nacht zwischen Lombok und Bali hin- und her pendelnden Fähren. Wir wählten zwei Tage aus, an denen Lahir hintereinander frei hatte, Mittwoch und Donnerstag, 21. und 22. Mai.
Mit der Fähre
Gleich nach Lahirs Arbeitsende um 15 Uhr fuhren wir los. Andy, ein einheimischer Bekannter, fuhr uns die rund 50 km bis zum Fährhafen in Labuan Lembar.
Die Fahrt über die Lombok strait (Selat lombok) von Labuan Lembar nach Padangbai (Bali) dauert 4-5 Stunden und kostet pro Person 36’000 Indonesische Rupiah (IR), etwa 2.8 Schweizer Franken (Mai 2014).
Am späten Nachmittag legte der Kahn ab, vollgestopft mit schweren Trucks, Bussen, einigen PKW’s und vielen Motorrädern. Auf den Passagierdecks gab es viel Platz. Wir richteten uns auf dem freien Oberdeck ein, gegen den Hunger und Durst holten wir uns etwas am Schiffskiosk, Quicksoup mit Nudeln (überraschend gut!) und Mineralwasser.
Die Nacht brach herein, es war warm, und uns präsentierte sich der fantastische südliche Sternenhimmel, mit der (gegenüber der nördliche Hemisphäre) viel heller erscheinenden Milchstrasse. Hoch oben das berühmte Sternbild „Kreuz des Südens“, das früher für die Seefahrer eine wichtige Orientierungshilfe für die Navigation war.
Noch vor 22 Uhr legte die Fähre in Padangbai an. Keine zehn Minuten an Land, hatten wir bereits ein Hotel gefunden. Es lag gleich neben dem Hafen und kostete 200’000 IR pro Zimmer. Der junge Mann, der uns das Hotel vermittelte, besorgte uns auch gleich einen Fahrer für den nächsten Tag. 600’000 IR (CHF 46) würde uns die Angelegenheit kosten (ganzer Tag, Benzin inbegriffen).
Ein Spaziergang durch den Ort zeigte uns schnell, dass es hier kein grosses Nachtleben gab. Bis auf einen kleinen Kiosk und einige noch geöffnete Läden war alles dunkel und verschlafen. Unmittelbar vor unseren Zimmern fuhren ununterbrochen und die ganze Nacht über Trucks zu den Fähren. Immer wieder aufheulende Schiffsirenen und Lautsprecherdurchsagen sorgten für einen angenehmen, tiefen Schlaf … Mir selber machte diese Betriebsamkeit nicht viel aus; ich geniesse solche Situationen sogar (falls sie nicht ein Dauerzustand sind). Aber, nun ja, Lahir war da etwas anderer Ansicht …
Gunung Batur
Wir hatten beschlossen, bereits um 6 Uhr aufzubrechen. Der schnellste Weg führte über die kleinen Städte Semarapura und Bangli. Um halb acht waren wir bereits auf der äusseren Caldera des Vulkans Gunung Batur angelangt. Zwei Stunden früher, als geplant. Auch nicht schlecht, wir würden früh zurück in Lombok sein.
Unter uns lag die im Licht der Morgensonne gleissend spiegelnde Wasserfläche des Kratersees Danau Batur, links davon erhob sich der Kegel des eigentlichen Vulkans. Eine kurvenreiche Strasse führt zur Ebene innerhalb der äusseren Caldera und zum See hinunter.
Der Gunung Batur ist ein Schichtvulkan, 1717 m hoch (alle Angaben aus Wikipedia) und befindet sich im Zentrum zweier riesiger Calderen. (eine Caldera ist eine kesselförmige, geologische Struktur vulkanischen Ursprungs). Die äussere Caldera entstand vor 29’300 Jahren und misst 10 x 13.5 km, die innere entstand vor 20’150 Jahren und misst 6.4 x 9.4 km. Innerhalb der Caldera wohnen etwa 16’000 Menschen. Ausbrüche sind relativ häufig (Lava und/oder Asche), die letzten waren 1963 und 1999/2000. Der Kratersee liegt im Südosten der äusseren Caldera. 20 km weiter südöstlich erhebt sich der Vulkan Gunung Agung. Die unten angezeigte Grafik der NASA (amerkanische Weltraumbehörde) zeigt schön, wie die beiden Vulkane auf Ost-Bali zueinander liegen (links Agung, recht Batur; hinten oben, links liegt Denpasar):
Trunyan – ein abgelegenes, traditionelles Dorf
Das erste Dorf am See, das wir erreichten, heisst Kedisan. Kaum hatte ich das Auto verlassen, um ein paar Aufnahmen zu machen, wollte uns einer schon eine Bootsfahrt nach Trunyan und dessen berühmten Friedhof verkaufen. Die Fahrt würde etwa 7 km betragen, und dafür wollte der Kerl satte 800’000 IR einsacken! Als ich entschieden ablehnte, ging er auf 600’000 hinunter. Auch das war mir viel zu viel. Er sagte, die Strasse nach Trunyan sein unpassierbar. Wir fuhren trotzdem hin. Was er nämlich nicht wusste, war, dass unser Fahrer seine Familie dort hatte und die Verhältnisse genau kannte … Es stimmt, die Strasse war die letzten zwei Kilometer in einem schlimmen Zustand. Einmal mussten wir durch einen mit 50 cm Wasser überschwemmten Strassenabschnitt hindurch.
Trunyan liegt am Ostufer des Kratersees, auf einem schmalen Uferstreifen, hinter dem sich die Caldera steil erhebt. Es besteht aus meisten schmucklosen, engen Gassen. Viele Häuser sind von Mauern aus dunklem Lavagestein umgeben.
Das Spielen um Geld scheint hier schon früh geübt zu werden …Die Bewohner stammen von den Bali Aga ab, den ursprünglichen Bewohnern Balis. Viele Traditionen aus vor-hinduistischer Zeit scheinen hier erhalten zu sein. Besonders sichtbar wird das bei der Totenbestattung. Während die Hinduisten ihre Toten normalerweise verbrennen, werden sie hier in weisse Tücher eingewickelt und – hinter Bambusgittern vor Tierfrass geschützt – der natürlichen Verwesung überlassen. Verwesungsgerüche soll es keine geben, weil der so genannte Menya Baum (Menya = „süsser Duft“) diese durch seine eigenen Düfte neutralisiert. Wir selber waren nicht auf dem Friedhof, weil man dorthin wirklich nur mit dem Boot kommt. Auch das hätte schön viel Geld gekostet. Aber der Hauptgrund, dass wir nicht hin gingen, war, mindestens bei meinem Begleiter, die pure Unlust, sich verwesende Tote anzusehen. Und dafür hatte ich Verständnis.
Ein Teil des Dorfes stand unter Hochwasser. Noch ein paar Impressionen …
Von der Familie unseres Fahrers wurden wir zu Bali-Kaffee (süss und mit ausgezeichnetem Aroma!) und traditionellem Reisgebäck eingeladen.
Fazit: Eine interessante Erfahrung!
Hindutempel am Hang des Gunung Agung
Für den Rückweg wählten wir eine andere Strasse. Sie führte zuerst einige Kilomer dem oberen Rand der äusseren Caldera entlang, mit streckenweise schönen Ausblicken auf den See und den Vulkan.
Plötzlich versperrten uns zwei jüngere Frauen den Weg. Eine begann die Türen der Reihe nach zu öffnen, klebte uns nasse Reiskörner auf die Stirn, verstreute Blüten und band uns schliesslich ungefragt farbige Bänder um unsere Köpfe, mir ein weisses mit goldenen Verzierungen, Lahir ein oranges. Und was wohl weiter? Erraten, sie wollten Geld. 20’000 IR pro Nase wollten sie für ihre kultisch-religiöse Handlung. Ich drückte ein Auge zu und zahlte. Dann lachten wir – etwas sauer. Die „fromme“ Handlung war nicht so gut angekommen … Aber das sollte nicht unser letztes Erlebnis mit geldhungrigen Leuten sein …
Die Strasse führte südwärts an der Westseite des Gunung Agung vorbei. Er ist ein aktiver – unberechenbarer – Schichtvulkan, 3142 m hoch (Wikipedia), und der letzte Ausbruch 1963/(64) forderte über 1100 Tote.
Schon lange bevor sich der Hinduismus auf Bali durchsetzte, galt dieser Vulkan als heiliger Berg, mit Kultstätten an seinen Hängen. An der Südwestflanke, auf 950 m, steht der Tempel Pura Besakih, das höchste hinduistische Heiligtum Balis.
Der Besuch des Tempels ist – wie könnte es anders sein – nicht gratis. Ein in Weiss gekleideter, junger Mann versuchte mich mit aller Redekunst zum Besuch des Tempelinnern zu überreden. Er tat das so penetrant, dass ich ihm eine Abfuhr erteilte, indem ich sagte, mich interessiere das alles gar nicht (was natürlich nicht stimmte). Erst jetzt wandte er sich, sichtlich wütend, von mir ab. Lahir und ich konnten wirklich kaum zehn Schritte tun, bis wieder jemand um uns herum tänzelte und uns irgend etwas (Karten, Tücher, „heilige“ Gegenstände) andrehen wollte, mit einer Aufdringlichkeit, wie ich sie noch selten erlebt habe.
Als wir in Padangbai zurück waren, war es erst früher Nachmittag. Nicht schlecht, kamen wir so doch zu einer Überfahrt bei Tageslicht.
Die Fähre war diesmal kleiner, was ein heftigeres Schaukeln auf den – sanften, weiten – Wellen bedeutete. Und dabei in die Weiten des Meeres hinausschauen – eine manchmal fast hypnotische Erfahrung.
Ein junges deutsches Paar – sie kamen aus Bangladesch – verpasste das Schnellboot nach den Gili Islands. Sie hatten das – viel teurere – Ticket dorthin gebucht. Aber dorthin fuhr an diesem Tag kein Schiff mehr. Sie mussten in Labuan Lembar ein Taxi nehmen, in Materam/Ampenan oder Senggigi übernachten und am nächsten Tag weiterreisen. Ein dritter junger Deutscher – vor kurzem das Abitur gemacht und jetzt auf Asienreise – wollte nach Kuta/Lombok. Wir nahmen ihn in unserem Auto mit (Andy holte uns wiederum ab). Er beteiligte sich an den Kosten. Es herrschte allseitige, beste Zufriedenheit …
Fazit: Eine äusserst erlebnis- und lehrreiche, kurze Reise, mit der Erkenntnis: Bali tickt anders! Zumindest ganz anders, als Lombok …