Es gäbe so viel zu entdecken, aber …
Die letzte Nacht war stürmisch und regnerisch. Vorzeichen von Herbstwetter? In Richtung des Atlantiks (den man nicht sieht) ziehen im Laufe des Tages gewaltige Wolkentürme auf. Und es wird wieder heiß und schwül.
BUA zeigt sich auch von seiner brutal-„schönen“ Seite. Man muss nur nicht zu feige sein, auch um die Ecke zu schauen. Der schöne Schein am Tag, zum Beispiel auf der Einkaufsmeile Florida, trügt. Die Unterschiede zwischen Arm und Reich in dieser Stadt sind äusserst hoch. Und von den Blüten, zu denen Grundstückspekulationen führen, zeugen unzählige Baulücken, halb abgerissene oder abgefackelte Gebäuderuinen, in denen Obdachlose hausen. Manche Stadtautobahn endet abrupt als skurrile „Skulptur“, die einfach in den Himmel ragt und im Nichts endet.
Wollte heute eine Ansichtskarte für Helmut Etter, einen befreundeten Künstler, zur POST bringen. Dabei wurde mir aber schnell klar, dass man beim Thema „Post“ in diesem Land an fast unüberwindliche Grenzen stösst – vor allem, wenn einem wenig Zeit zur Verfügung steht. Ich habe in BUA nur noch diesen Tag – und da ging die Post halt nicht ab … Auf der Webseite http://www.correosargentino.com.ar versuchte ich, Poststellen auf Stadtgebiet zu finden. Vergiss es! Mit einem Kellner unterhielt ich mich darüber. Ich war in einem Cafe, an der berühmten Avenida de Mayo. Ja, es gibt hier eine Poststelle, tatsächlich!, fast gegenüber, auf der andern Strassenseite, Nummer 770. Aber – lo siento – cerrado! Und das an diesem Ort in zentralster Geschäfts- und Tourismuslage, um 15:30 Uhr. Der Mann bestätigte mir, dass das Problem der Post in Argentinien eine völlig ungelöste Frage darstellt. – Im Reiseführer von Know How über BUA sind vier Poststellen angegeben. Und die haben zu. Man muss sich das einmal vergegenwärtigen: 4 Millionen Einwohner, vier Poststellen – eine auf eine Million Einwohner? (Wie kriegen denn die Leute überhaupt die Steuer- und andern Rechnungen zugestellt? … Haha! …) Die Vorstellung ist so extrem, so absurd!
Wenn wir schon bei diesen – fast – existentiellen Probleme sind, möchte ich noch eins antippen, ein dringliches, das für fast alle Städte gilt: Wie steht es denn mit den öffentlichen Toiletten? Gibt es überhaupt solche hier? Ich habe jedenfalls keine gefunden. Hatte auch zu wenig Zeit, um mich bei den Porteños zu erkundigen, wo sie ihre kleinen Geschäfte erledigen. Jedesmal in ein Café gehen? (würde allerdings die Geschäftsumsätze und die zwischenmenschlichen Kontakte fördern …). – Aber ich weiss, da besteht nicht nur in BUA Handlungsbedarf.
Die Madres de la Placa de Mayo: Sie sind immer noch da, wenn auch nicht mehr nur die Mütter, sondern auch ihre Töchter und Grosskinder. Sie erinnern an eines der schlimmsten Kapitel in der argentinischen Geschichte, an die faschistische Militärdiktatur von Jorge Rafael Videla, der Tausende „verschwundene“ Söhne und Töchter zum Opfer fielen, entführt, erschossen, aus Flugzeugen über dem Atlantik bei vollem Bewusstsein ins Meer geschmissen. Der Terror dauerte von 1976 bis 1981. Immer noch erinnern Transparente, ein paar Kreuze und unermüdlich für eine bessere Welt einstehehende Menschen an diese Zeit. Ihre Botschaft ist klar: Nie mehr Faschismus! Nie mehr Diktatur!
Östlich vom Hafen Madera aus erstreckt sich das Quartier La Boca. Ich habe es, vor allem aus zeitlichen Gründen, ausgelassen. Abgesehen davon, dass das Quartier wegen der hohen Kriminalitätsrate verschrien ist. Es muss ein sehr bunter Stadtteil sein und ist auch die Hochburg des argentinischen Fussballs. Hier befindet sich nämlich das berühmte Stadion La Bombonera (eines von 60 allein in BUA!), und hier ist unter anderem Maradona gross geworden. – Aber ein paar Bildchen habe ich am Rande doch gemacht. Ist sie zum Beispiel nicht hübsch, die kleine, russisch-orthodoxe Kirche? Oder das blaue Holzhaus, das nur Fassade ist? – Auf Schritt und Tritt gibt es viel zu entdecken.
Das waren einfach noch ein paar Eindrücke, aufgenommen, bevor ich ins Hotel zurück ging, den Rucksack packte – und den Eindruck hatte, dass ich ihn vollgestopfter hatte, als bei meiner Abreise. Was natürlich nicht stimmt. Denn einige Papiernastücher und Notizzettel habe ich weniger „an Bord“ …